Geschichte der Juden in Walsdorf
1. Die Geschichte der Juden in Walsdorf - Überblick anhand der historischen Quellen in Walsdorf
1.1 Die Zeit vor 1630 - Die ersten Juden in Walsdorf
Der erste urkundliche Nachweis datiert auf das Jahr 1609. Es existiert eine Crailsheim`sche Akte in der ein "Menlein Jud zu Walsdorf" als Geldverleiher für Schmuck Erwähnung findet. Die Herren von Crailsheim waren seit dem 15. Jahrhundert als reichsritterschaftlicher Adel Besitzer des Rittergutsortes Walsdorf. Sie besaßen dort ein kleines Wasserschloss. Für die Zeit vor dem 30-jährigen Krieg sind im "Saalbuch" acht an Juden vergebene Lehen vermerkt. Aus dem Jahr 1632 existiert eine Akte über den Pfarrer Fuchs, der einen von den Juden gestifteten Abendmahlskelch "privatisiert" haben sollte, weil die Gemeinde sich geweigert hätte daraus das Abendmahl zu empfangen.
Als Walsdorf im Jahr 1628 von Bamberg aus gewaltsam katholisiert wurde, berichtete der katholische Pfarrer im Pfarrbuch von 144 Gulden Abgabe an die Pfarrherrn und 36 Gulden an den Kirchner, die die ansässigen Juden zu leisten hatten. Diese Gemeinde bestand bis ca. 1630 in Walsdorf.
Der 30-jährige Krieg führte zum vollständigen Verlust derselben. In Walsdorf wird am Ende des 17. Jahrhunderts von einem ortsansässigen Juden berichtet, der als "Begräbnisjude" der Bamberger Judengemeinde den Friedhof in Walsdorf versah und wohl dafür das Friedhofsbuch führte.
1.2 Juden leben als „Crailsheim'sche Schutzjuden“ in Walsdorf
Im Jahre 1672 werden im Crailsheim'schen Saalbuch acht jüdische Familien aufgeführt. Vom Status her waren die „Schutzjuden“, wie in dieser Zeit üblich, in den Herrschaftsgebieten der Reichsritter. Vorher hatte nur der Kaiser das Recht die als nicht deutsch eingestuften Juden als seine "Kammerknechte" gegen entsprechende Zahlungen zuzulassen. Sie unterstanden damit seinem direkten Schutz, was im Ernstfall allerdings meistens wenig nutzte !
Später verliehen die Kaiser dieses Recht an Adlige, oder diese maßten sich dieses einträgliche Recht einfach an. Diese Schutzjuden mussten an ihren Landsherrn ziemlich hohe Abgaben zahlen, wobei es allerdings mit dem Schutz in Krisenzeiten nicht weit her war. Beispielsweise hatte ein Jude in Walsdorf 108 Gulden für Schutz und Mietzins zu zahlen. Ohne Miete waren 60 Gulden fällig. Hatte ein Haus zwei Wohnungen, verdoppelte sich die Gebühr. Außerdem waren noch die verschiedenen Gemeindeabgaben zu leisten, und die Juden mussten sich auch an dem Wachdienst in der Gemeinde während der Gottesdienste beteiligen. Das hieß, dass die Juden die leerstehenden Häuser der Christen während deren Gottesdienst bewachen mussten. Nur die Aufwendungen für Pfarrer und Lehrer blieben ihnen gewöhnlich erspart. Wie teuer dieser Schutz war erfährt man unter Punkt 1.3.
1.3 Beispiel der Abgaben eines Handelsjuden im fürstbischöflichen Bamberg
Diese Schutzjuden mussten an ihren Landsherrn ziemlich hohe Abgaben zahlen, wobei es mit dem Schutz in Krisenzeiten allerdings trotzdem nicht weit her war. So hatte ein Jude in Bamberg z.B. pro Jahr · 12 Dukaten für den Fürstbischof,
25 Kreuzer für das Kammerzeichen,
360 Dukaten an das fürstliche Arbeitshaus,
4 Dukaten an einen Judenamtmann und
30 Kreuzer für den Kammerdiener und
andere Trinkgelder
zu zahlen.
Dazu kamen noch die normale Staatssteuer (wie jeder Bürger), eine hohe Ertragssteuer, Neujahrsgelder, Koschergelder und Interregnumsgelder. Man hatte hier also hochwillkommene Steuerzahler !
1.4 Tumulte und Übergriffe erschweren das Leben der Landjuden
Trotz der hohen Zahlungen an Steuern und Abgaben kam es immer wieder zu Tumulten und Übergriffen gegen die unbeliebten Mitbürger. Gerüchte und allgemeine Missstimmungen wurden hier oft abreagiert. Mehrere Beschwerden der Walsdorfer Juden über Anfeindungen sind belegt. Als Anekdote am Rande: Im Jahre 1699 kam es ebenfalls zu Tumulten, wobei der ortsansässige Jude zu seinem Schutze im Schlosshof untergebracht werden musste, und seine Frau bei einem Gang nach Bischberg vom Bischberger und Vierether Lehrer überfallen und ausgeplündert wurde !
1.5 Das Leben der Crailsheimer Landjuden seit 1700
In der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts siedelte die Herrschaft der Crailsheimer die Juden systematisch am Schafberg an. Zwischen 1724 und 1733 waren es drei neue zweistöckige Judenhäuser der Herrschaft, die später auch in jüd. Besitz übergingen. Man hatte am Schafberg die dortige Ziegelei aufgelassen und das Gelände als Siedlungsgebiet der Juden genutzt. Wohl eine nicht sehr gelungene Tat, da durch die abgesetzte Lage zum eigentlichen Dorf der Ghettobildung und Absonderung zusätzlich Vorschub geleistet wurde. Sicherlich mit ein Grund für die Intoleranz der christl. Bevölkerung gegenüber den Juden. Im Jahr 1740 zählte man 12 Familien und bis 1804 war die Gemeinde auf 28 Familien mit 120 Seelen angewachsen. Manche Häuser beherbergten drei Familien mit vielen Köpfen. Es ging sehr beengt zu, und mehrere Nutzungsstreitigkeiten sind belegt.
Im Jahre 1731 wird in einem Schreiben der Gutsherrschaft der Bau einer Synagoge und Schule genehmigt. Sie wird 1732 auf Crailsheim`schen Grundbesitz errichtet. 1802 kamen am Schafberg ein Gemeindehaus und ein Tauche (Mikwe) dazu. Das Gemeindehaus wurde bereits 1859 ohne Tauche wieder verkauft, da eine Abwanderung eingesetzt hatte. 1862 ging die Synagoge nach gründlicher Renovierung in den Besitz der jüdischen Gemeinde über.
1.6 Blick in den Alltag um die Jahrhundertwende
Im Bereich der Religionshoheit unterstand die jüdische Gemeinde Walsdorf dem Distriktsrabbinat in Burgebrach. Als Vorsänger fungiert in der Regel der ortsansässige jüdischer Lehrer, der meist auch Gemeindevorsteher war (z.B. Joseph Silbermann um 1850).
An Berufen finden wir in den Akten hauptsächlich Handel und bäuerlichen Nebenerwerb. 1824/25 finden sich
1 x Vorsänger
6 x Viehhandel
1 x Spezereihandel
3 x Hausiererhandel
3 x Schnittwarenhandel
1 x Trödelwarenhandel
2 x Schmuserei
1 x Strumpfstricken
1 x Ökonomie
1 x Taglohn
4 x ohne
1 x Witwe (Sohn ernähren)
Zum Vergleich: In Walsdorf lebten um diese Zeit 25 Haushalte in 15 Häusern mit etwa 115 jüdischen Personen. Es gab zu der Zeit in Walsdorf insgesamt ca. 147 Haushalte mit etwa 650 Personen. Um 1900 war die Gemeinde durch Landflucht oder Auswanderung auf 31 Köpfe geschrumpft. Man war nicht einmal mehr in der Lage die 10 männlichen Juden zur Abhaltung eines Gottesdienstes zusammen zu bringen. So wurde die Gemeinde mit der in Trabelsdorf trotz Widerstände zwangsvereinigt.
1.7 Das bittere Ende
Am 10. November 1938 erschien eine Gruppe der SA aus Bamberg und zerstörten Türen, Fenster und die Einrichtung der Synagoge. Die Angst der christlichen Nachbarn vor einer Feuersbrunst konnte das Abfackeln des Gebäudes gerade noch verhindern. In den Aufzeichnungen von Pfarrer Förtsch ist zu lesen, dass sich die Ortsansässigen nicht an der Aktion beteiligten. Die Schulkinder wurden am folgenden Tag an den Ort der Schandtat geführt und "durften" mit den herumliegenden Gebetbüchern ein Feuer schüren ! Von den 1933 verbliebenen 23 Juden in Walsdorf entkamen elf der Verfolgung durch Auswanderung, zwei konnten noch im Jahre 1942 fliehen, sieben wurden am 25. April 1942 nach Izbica bei Lublin deportiert. Der Zeitzeuge Pfarrer Förtsch schrieb zu diesem Ereignis: "Die Gemeinde endet eines Sonntags, als alle verbliebenen Juden unter Polizeiaufsicht auf einen Laster verladen und mit unbekannten Ziel weggebracht wurden!" Die letzte noch zurückgebliebene Jüdin, Frau Rosa Karl, starb im September 1942 auf den Transport nach Theresienstadt.
Heute noch existierende Häuser der damaligen Judengemeinde sind Schafberg Nr. 2, 5, 7, 9, 11, 13, 14, 15, 17, 19, 21, 26, am Brunnenweg Nr. 12, 14 und Laurentiusweg Nr. 2.
2. Das religiöse Brauchtum der fränkischen Landjuden
2.1 Allgemeine Anmerkungen
Das Leben der jüdischen Landgemeinden war von den religiösen Gesetzen bestimmt. Man feierte die traditionellen Feste, erfüllte die Vorschriften für Speisen und Getränke ebenso wie die Vorschriften für die Gebetsausübung. In jeder Gemeinde gab es dafür noch eine eigene Ordnung, die durchaus sehr voneinander abweichen konnte. In unsere Zeit ist darüber leider nicht besonders viel Wissen hinübergerettet worden, nicht zuletzt durch die Terrorakte der Nazis wurden hier sehr viele Urkunden, Schriften und Gegenstände vernichtet. Erhalten geblieben sind uns hauptsächlich Gebäude, bei denen man ihre frühere Benutzung teils noch gut erkennen kann. Erhalten haben sich vielfach die Synagogen und Schulen, die Gemeindehäuser, die Tauchbäder (Mikwes) und natürlich die Friedhöfe mit ihren Taharahäusern.
2.2 Gebäude zur Religionsausübung im Gemeindegebiet Walsdorf
Wir finden in Walsdorf nur noch wenige Nachweise für das jüdische Leben in der Gemeinde. Es handelt sich dabei in de Hauptsache um die Synagoge und den Friedhof mit Taharahaus und den Gräbern. Die Synagoge im Grundstück Brunnenweg 12 blieb bis 1940 in jüdischem Besitz und wurde als nunmehr nutzloses Gebäude an die Familie Kaiser verkauft, nachdem sie vorher (1938) von auswärtigen Vandalen verwüstet worden war. Das Gemeindehaus (Schafberg 17) wurde schon 1859 nach Ampferbach verkauft. Die dazugehörige Tauche (Mikwa) erwarb der Gemeindevorsteher Silbermann 1860.
Im Ortsteil Kolmsdorf hat sich in einem ehemals jüdischen Doppelhaus in der Ortsmitte noch eine Mikwa im Kellerbereich erhalten.
Der Friedhof befand sich bis zum Jahr 1963 offiziell im Besitze der alten Grundherrschaft derer von Crailsheim, da der Grund wie üblich nur in Erbpacht abgegeben worden war. In diesem Jahr wurde der Grund an die Israelitische Kultusgemeinschaft Bamberg übergeben. Die Pflege wird von der Gemeinde Walsdorf durchgeführt.
Die Gemeinde wehrte sich 1939 erfolgreich gegen eine angeordnete Verwendung der Grabsteine als Straßenbaumaterial, da "man genügend geeignete Steine besitze und außerdem der Friedhof Crailsheimer Besitz sei."
Die politische Gemeinde ließ auch zweimal den Friedhof nach Zerstörungen wieder herrichten (1936 und 1946).
3. Anmerkungen zum hebräischen Friedhof in Franken
Jüdische Friedhöfe findet man im allgemeinen fern von Ansiedlungen auf Hügeln, oder an Berghängen. Diese idyllische Lage beruht nicht auf religiöse Vorschriften, sondern es war die pure Not um Erwerb von billigem Grund, der solche Lagen begünstigte. Außerdem war den jüdischen Gemeinden die Anlage von Friedhöfen in der Nähe oder in den Gemeinden von den Christen verboten. Man benötigte ausgedehnte Flächen, da man Gemeinschaftsanlagen für mehrere Gemeinden anlegte und eine Wiederbelebung einer Grabstelle nach jüdischem Glauben nicht möglich ist.
Diese Anlagen erscheinen oft sehr romantisch, da man einen Grabkult wie im christlichen Friedhof nicht kennt. Man sieht ein ausgedehntes Feld von nach Osten gegen Jerusalem gewendeten Steinmalen mehr oder weniger aufrecht und der Grund ist mit dichtem Gras überzogen. Auf manchen Steinen findet man kleine Steine, die von Besuchern dorthin gelegt wurden. Sie erinnern wohl an das Wanderleben in der Wüste, wo man einem Toten keinen größeren Gefallen tun konnte, als möglichst viele Steine auf seine Ruhestätte (zum Schutz vor Aasfressern) zu häufen. Diese Geste findet man noch heute bei den Beduinen in der Negevwüste. Man findet manchmal auch die Erklärung, dass man mit seinem Stein dazu hilft mit den Steinen dem Verstorbenen ein „Denkmal“ zu errichten.
3.2 Beerdigungsriten für die Beerdigung eines Gläubigen
Jedes Grab eines Juden hat einen Grabstein. Finanziert wurden diese Grabmale von den Familien oder auch von den Beerdigungsvereinen. Bei einer Beerdigung wurde der Leichnam in der Leichenhalle, der Tahara von der Heiligen Bruderschaft bzw. Schwesternschaft gemäß den religiösen Vorschriften gewaschen, mit einer bestimmten Menge Wasser rituell übergossen und damit gereinigt, in die weißen Totengewänder (Sarganes) gekleidet und dann in einen einfachen Holzsarg gelegt.
3.3 Besondere Grabmale im jüdischen Friedhof
Auf den Steinen findet man gewöhnlich hebräische, manchmal aber auch lateinische Inschriften. Besonders frommen Personen schrieb man nur hebräische Inschriften auf den Stein. Verschiedenartigste Zeichen verweisen auf den Stand oder die Tätigkeit des Toten in seinem Leben. Besondere Steine sind:
3.3.1 die Grabsteine von Rabbinern
Segnende Hände bedeuten, dass hier ein Cohen (Kohn, Kohen) ein Angehöriger des Priesterstandes begraben liegt. Die jüdische Gesellschaft besteht bekanntlich aus drei Schichten: An der Spitze stehen die Kohanim, der Priesterstand, die als die Nachkommen des Hohenpriesters Ahron gelten. Dann kommen die Leviim, die Leviten, und anschließend die Israelim, die Israels sozusagen die „breite Masse“ des Volkes. Die Zugehörigkeit zur jeweiligen Schicht ist erblich und wird vom Vater auf den Sohn weitervererbt.
3.3.2 die Grabsteine von Leviten
Die Grabsteine der Leviten zeigen eine Wasserkanne als Zeichen der Stammeszugehörigkeit zum Stamm der Levi, die mit dieser Kanne Wasser auf die Hände der Kohanim gossen, bevor diese das Volk segneten.
3.3.3 die Grabsteine von Schofarbläsern
Ein abgebildetes Widderhorn (Schofar) zeigt an, das hier ein Schofarbläser begraben ist, der mit diesem Instrument vor dem Gottesdienst und besonders an hohen Feiertagen in der Synagoge zum Gottesdienst geblasen hat. Oft sind diese Hörner stilisiert!
3.3.4 die Grabsteine mit besonderen Hinweisen
Ein Messer (oft dabei eine Ölflasche) deutet auf einen Mohel, den jüd. Beschneider hin. Er hat die Aufgabe jeden jüd. Knaben acht Tage nach der Geburt zu beschneiden und durch diesen Akt ihn in die Gemeinde aufzunehmen. Es gibt noch viel mehr Zeichen (Kronen, Sterne, Bücher, Pferde, Löwen und andere Tiere etc.) auf jüdischen Grabsteinen, doch führt dies wohl hier zu weit. Oft werden solche Zeichen auch als bildliche Umsetzung von Familiennamen benutzt (der Löwe für Löw etc.). die beiden hebräischen Buchstaben, die fast immer im Scheitelbereich des Grabsteins zu finden sind, bedeuten: „Hier ruht“. Dann folgte in der Regel der Name des Verstorbenen.
4. Ein Gang durch den Friedhof bei Walsdorf
Man findet ihn an der Straße nach Steinsdorf an einem leichten Höhenanstieg nahe dem Aurachgrund. Der Friedhof in Walsdorf umfasst eine Gesamtfläche von ca. 7.000 Quadratmetern. Nach den Befunden einer Bodenradaruntersuchung im Jahre 1985 lassen sich insgesamt 1084 Gräber lokalisieren. Somit ist er den Zahlen der Belegung entsprechend der größte jüdische Friedhof im Gebiet des Landkreises Bamberg.
Betritt man heute den Walsdorfer Friedhof, so nähert man sich eigentlich von hinten ! Der alte Zugangsweg führte wohl längs des Aurachtals am Hang (hinter der Mühle mit dem Mühlbach als Hindernis !!) durch das kleine Nebental (hat in der Walsdorfer Mundart überlebt als Walsdorfer Spruch: "Über den Jordan gehen") zum Friedhof und dann durch den schmalen Hohlweg innerhalb des Friedhofs hinauf zum Haus. Betritt man den Friedhof durch das heutige schmiedeeiserne Tor, dann sieht man an den beiden Pfeilern eine Inschrift in Deutscher und Hebräischer Sprache:
Der Eingang zum ewigen Leben ist dies,
es schwingen die Seelen zum Paradies,
die Hüllen schlummern in Gräbern süß.
Zur Rechten steht nun das Tahara-Haus. An der Westseite findet man eine Inschrift, die das Gebet beinhaltet, dass ein frommer Jude gewöhnlich spricht, wenn er den stillen Ort der Toten betritt. Nach einer Inschrift an der Hauswand links neben dem Eingangstor ist das Gebäude eine Steifung des Eliser Lippmann von 1742, Sohn des Vorstehers Chaiim aus Hildesheim und seiner Gattin Rahel, Tochter des Mendel aus Bamberg. Im Inneren sieht man links vom Eingang in einem Nebenzimmer den Tahara-Waschstein und dahinter in einem Raum die ehemalige Brunnen- und Kesselanlage. Gegenüber findet man zwei Räume mit teilweise noch erhaltener alter Schablonenmalerei, die den Trauernden bei Beerdigungen als Übernachtungsräume für die Juden aus weiter entfernten Gemeinden (man war ja per pedes unterwegs !!) dienten. Männlein und Weiblein waren dabei streng voneinander getrennt ! Nach den Quellen hat hier niemals jemand dauerhaft gewohnt ! Im Gegenteil gibt es Akten, dass der Begräbnisjude bei den Crailsheimern Judenhäusern zur Miete (z.B. auf Kosten der Bamberger Judengemeinde) wohnte. Das Tahara-Haus wurde erst kürzlich in seiner Bausubstanz gesichert, nachdem es in den letzten Jahren durch Witterungseinflüsse stark gelitten hatte.
Vor dem Haus unter der alten mehr als 700-jährigen Eiche findet man die ältesten Gräber des Friedhofes. Hier liegen auch die Mitglieder der Cohaim darunter einige Rabbis (Bild der segnenden Hände) begraben. Pfarrer Förtsch beschreibt in seinen Aufzeichnungen Grablegen für die Landesrabbiner Mordechai Lüpschütz (1685), Nathan Utiz (1742), Josef Breslau (1752), Juda Katz (1788), Uri Feist (1802) und Josef Gersfeld (1814). Er bezieht sich dabei auf einen Beitrag des Rabbiners Dr. Eckstein aus Bamberg in der Hohen Warte (1920). Genaue Angaben zum wirklichen Alter der Friedhofsgründung fehlen allerdings. Die prachtvolle Eiche in der Mitte des alten Friedhofbereichs spricht für eine Gründung im 13. Jahrhundert. Man pflanzte gerne den ausdauernden Eichenbaum in die Friedhöfe als Zeichen für die Ewigkeit. Aus Berichten geht hervor, dass die Bamberger Judengemeinde etwa seit Mitte des 17. Jahrhunderts ihre Leichname nicht mehr zum Friedhof bei Zeckendorf, sondern nach Walsdorf bringt. Der älteste identifizierte Grabstein datiert auf das Jahr 1701. Es gibt auch ältere Datierungen in einem sogenannten Grabbuch der Judengemeinde Walsdorf, doch sollte man diese nur mit großer Vorsicht zitieren, da die hebräischen Zahlzeichen offenbar durch Verwitterung schnell in die Irre führen können !
Es ist sicher möglich, dass vor der sogenannten „Rindfleisch-Verfolgung“ von 1298 hier Juden wie auch von anderen Orten belegt gewesen sein können, aber durch Grabsteine nachweisbar ist es hier offensichtlich nicht. Eine Beschwerde des katholischen Pfarrers Fuchs im Jahr 1632, dass die Begräbnisgebühren alleine dem Schloss zugeführt werden, belegt jedoch indirekt das Vorhandensein von älteren Bestattungen. Dieser Pfarrer hatte sich über die Beerdigung zur gleichen Zeit wie der christliche Gottesdienst (Dorfwache !) und über die große Anzahl (im Jahr 1632 von Juli bis November 204 Tote !) schriftlich ausgelassen. Nachweisbar ist auch, dass sich die Bamberger Judengemeinde im Jahr 1719 ein Stück Ödland zur Erweiterung des Friedhofes erbittet. Wahrscheinlich hatte man vorher schon den alten verwaisten Friedhof der ehemaligen Walsdorfer Judengemeinde übernommen und erweitert. Später findet man Berichte, dass der Friedhof der Bamberger Judengemeinde gehört und die Walsdorfer Juden sich entweder auf einen eigens geschaffenen Teil begraben lassen dürfen oder sich an den Kosten beteiligen müssen.
Erst in neuerer Zeit (um das Jahr 1850) ging die Nutzung auf die Walsdorfer Gemeinde über. Der Grund selbst gehörte nach wie vor den Crailsheimern. Daneben wurden auch die Juden aus Burgebrach, Grasmannsdorf, Kolmsdorf, Trunstadt, Viereth und zeitweise auch aus Lisberg, Trabelsdorf, Aschbach und Frensdorf hier beigesetzt.
Man zahlte für das Friedhofsgelände 48 Gulden Erbpacht im Jahr und für jede Beerdigung eines Erwachsenen einen Reichsthaler als Gebühr. Jugendliche unter 12 Jahren kosteten nur die Hälfte, also zwölf Gulden und 12 Kreuzer. Die gleichen Gebühren waren dann noch an das fürstbischöfliche Kastenamt in Scheßlitz zu entrichten.
In Bamberg gab es den Verein „chewra kadischa“, dessen Mitglieder die verstorbenen Judenarmen von Bamberg nach Walsdorf zu begleiten und dort die rituellen Handlungen zu vollziehen hatten. Später begnügte man sich aus finanziellen Gründen mit einer Begleitung durch den Verein nur bis vor den Stadttoren.
Um den Friedhof in seiner ursprünglichen Gesamtheit zu erleben sollte man durch den alten Hohlweg zum nun eigentlich modernsten Teil des Friedhofes am ehemaligen Eingang hinuntergehen. Man sieht nun beidseitig des Hohlweges die Grabmale aus schwarzem Granit im Stil unseres beginnenden Jahrhunderts. Wendet man sich nach links, so hat man das ganze Gräberfeld vor sich. Ein Stück hangaufwärts findet man das Grab eines Schofarbläsers mit gut erhaltenem Horn. Geht man durch die Gräber in Richtung großer Eiche kommt man an den Gräbern von zwei Leviten (Kanne), dann vor und unter der Eiche von mehreren Rabbinern (Hände) vorbei.
Links hinter dem Taharahaus findet man längs der Straße neuere Gräber bei denen die Darstellung von Uhren auf den Steinen auffällt. Der Sinn derselben ist nicht geklärt. Man vermutet die Uhr als Sinnbild der abgelaufenen Zeit. Ganz hinten ist ein recht ungewöhnliches Tumbagrab zu sehen.
5. Anmerkungen und Quellenangaben
Jüdische Zeugnisse wie erhaltene Synagogen oder Friedhöfe eignen sich gut als Impuls für Fragen unserer Kinder, was während der nationalsozialistischen Herrschaft in ihrem Wohnort geschehen ist. Die abstrakte und unmenschliche Zahl von 6 Millionen ermordeten Juden wird realer und viel begreifbarer, wenn man sie mit Namen, Gebäuden und Ereignissen des eigenen Ortes verknüpfen kann.
Die jüdischen Gemeinden haben mit ihrem einst blühenden Leben (wenn auch nicht immer unter bequemen Lebensumständen) wertvolle und oft unersetzliche Beiträge zur Gestaltung der Kulturlandschaft unserer Heimat geleistet. An den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wandelprozessen waren jüdische Mitbürger oft in herausragender Art und Weise beteiligt. Das kulturelle Leben der Juden in unserer Landschaft ist zu verstehen als ein Teil des kulturellen Gesamterbes Deutschlands, der Länder und der einzelnen Regionen. So ist es auch unsere moralische Pflicht und unser Auftrag die Zeugnisse und das Wissen um dieser bedeutenden Tradition zu erhalten und zu pflegen.
Der Satz „Saxa loquunter – Steine sprechen“ gilt ganz besonders auch hier und ermahnt uns dazu beizutragen, dass man trotz Unterschiede und Andersartigkeit friedlich und mit gegenseitigen Verständnis zusammenleben kann.
Für diesen Aufsatz verwendete Quellen:
Klaus Guth, "Jüdische Landgemeinden in Oberfranken 1800 – 1942"
Israel Schwierz, "Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern"
Leo Sievers, "Juden in Deutschland"
Nachum T. Gidal, "Die Juden in Deutschland"
Pfarrer Förtsch, "Die Hohe Warte – Geschichte von Walsdorf"
Rabbiner Dr. Eckstein, "Die Hohe Warte – Das Grabbuch des Judenfriedhofes"
Pfarrer Förtsch, Private Aufzeichnungen zur Geschichte Walsdorf
Div. Akten aus dem Crailsheim'schen Archiv
Div. Akten aus dem Gemeindearchiv Walsdorf
Div. Akten aus dem Kirchenarchiv des Pfarramts Walsdorf